Grenzenlos Recht Rolf Lüpke Rechtsanwalt MAES

Mandantenbrief

In Deutschland sind bei Kapitalgesellschaften Dividenden grundsätzlich von der Körperschaftsteuer freigestellt. Dennoch muss in aller Regel die ausschüttende Kapitalgesellschaft für die ausgeschüttete Dividende eine Kapitalertragsteuer einbehalten und abführen. Hierbei handelt es sich um eine Vorauszahlung auf die deutsche Körperschaftsteuer der Anteilseignerin. Bei einer inländischen Kapitalgesellschaft entstehen hierdurch keine Probleme, weil die auf die Ausschüttungen einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer auf die Körperschaftsteuer angerechnet beziehungsweise erstattet werden kann.
Schwieriger wird dies, wenn ausländische Kapitalgesellschaften die Anteile halten: Bei Ausschüttungen über die Grenze – etwa wenn die inländische Tochtergesellschaft Gewinne an ihre ausländische Muttergesellschaft ausschüttet – müssen die Unternehmen erhebliche bürokratische Hürden überwinden, um die Besteuerung der Dividende zu vermeiden. Hier muss das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn eingeschaltet werden. Das Amt erteilt auf Antrag der ausländischen Gesellschaft entweder eine Freistellungsbescheinigung – dann muss sie überhaupt keine Kapitalertragsteuer einbehalten und abführen. Oder die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer wird auf Antrag im Nachhinein erstattet. Diese Freistellung oder Erstattung funktioniert allerdings nur dann, wenn die ausländische Muttergesellschaft innerhalb der EU ansässig ist.
Ist die ausländische Muttergesellschaft dagegen in einem Drittstaat (Schweiz) ansässig, unterliegt die grenzüberschreitende Ausschüttung der Kapitalertragsteuer von 15 Prozent. Es sei denn, wenn abkommensrechtlich- wie das Doppelbesteuerungsabkommen CH-D es vorschreibt- ein niedrigerer Steuersatz vorgesehen ist. So sind z. Bsp. Kapitalgesellschaften, die wenigstens 10 % der Anteile an der dividendenausschüttenden deutschen Gesellschaft (Schachtelbeteiligung) halten, von der deutschen Kapitalertragsteuer grundsätzlich befreit.
Im Rahmen des deutschen Freistellungs- bzw. Erstattungsverfahrens wendet die deutsche Finanzverwaltung die Vorschrift des §50d Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) an. Steuerpflichtige, die keinen oder keinen vollständigen Anspruch auf Entlastung von deutschen Quellensteuern durch Freistellung oder Erstattung haben, sollen durch § 50d Abs. 3 EStG daran gehindert werden, sich die Entlastung von der Quellensteuer durch missbräuchliche Zwischenschaltung einer ausländischen Gesellschaft zu verschaffen. Die Vorschrift ging in ihrer ursprünglichen Fassung davon aus, dass eine missbräuchliche Gestaltung dann vorliegt, wenn

  • für die Einschaltung einer ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder
  • die ausländische Gesellschaft nicht mehr als 10 Prozent ihrer gesamten Bruttoerträge des betreffenden Wirtschaftsjahres aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielt oder
  • die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.

Die Europäische Kommission hatte am 18.03.2010 ein offizielles Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet (2007/4435). Nach Ansicht der Kommission verstösst die Missbrauchsvorschrift des § 50d Abs. 3 EStG gegen das Gemeinschaftsrecht. Die Kommission kritisierte, dass eine ausreichende eigene Wirtschaftstätigkeit auch dann vorliegen kann, wenn die vorgenannte 10 Prozent-Grenze nicht erfüllt wird. Nach Auffassung der Kommission muss die Regelung eine Gegennachweismöglichkeit vorsehen, um nicht unverhältnismässig zu sein.
Der deutsche Gesetzgeber hat mit der zum 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Gesetzesänderung die von der EU-Kommission kritisierte 10 %-Grenze gestrichen und eine Beweislastregelung in die Regelung aufgenommen. Die Abzugssteuerentlastung soll danach für nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammende Bruttoerträge einer ausländischen Gesellschaft entfallen, wenn es entweder keine wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründe dafür gibt, dass die Bruttoerträge von der ausländischen Gesellschaft erzielt werden (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG) oder – unverändert – die ausländische Gesellschaft nicht mit einem ihrem Geschäftszweck angemessenen Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt (§ 50d Abs. 3 Satz 1Nr.2 EStG). Das Vorliegen wirtschaftlicher oder sonst beachtlicher Gründe und eines angemessenen Geschäftsbetriebs muss von der ausländischen Gesellschaft nachgewiesen werden.
Die Abschaffung der 10 %-Grenze würde zunächst einmal bedeuten, dass das Verhältnis zwischen Bruttoerträgen aus eigener und nichteigener Wirtschaftstätigkeit keine Bedeutung mehr hätte. Werden Bruttoerträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielt, käme es für die Entlastungsberechtigung ausschließlich darauf an, ob für die Erzielung der Einkünfte durch die ausländische Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe vorliegen und ob ein angemessener wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten wird.
Den Beweis für das Vorliegen der Voraussetzungen muss von der ausländischen Gesellschaft erbracht werden. Bei aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielten Einkünften wäre es dagegen unerheblich, aus welchen Gründen die ausländische Gesellschaft zwischengeschaltet worden ist und wie sie ihren Geschäftsbetrieb ausgestattet hat, der Entlastungsanspruch wäre daher nicht gefährdet.
Die Neuregelung des § 50d Abs. 3 EStG entlastet ausländische Gesellschaften, die nebeneinander Einkünfte aus eigener und nichteigener wirtschaftlicher Tätigkeit erzielen, da es auf deren – manchmal auch zufallsabhängiges – Verhältnis zueinander nicht mehr ankommt. „Schädliche“ Einkünfte, deren Zuordnung zu der ausländischen Gesellschaft aus wirtschaftlich oder sonst wie beachtlichen Gründen erfolgt ist und die im Rahmen eines angemessenen Geschäftsbetriebes erzielt werden, würden auch dann einen Entlastungsanspruch vermitteln, wenn ihr Anteil an den gesamten Bruttoerträgen 90 % und mehr beträgt.
Bei Rückfragen und ergänzenden Angaben steht Ihnen Rechtsanwalt Rolf Lüpke gerne zur Verfügung.

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