Mandantenbrief

Trotz Euro-Krise: Die deutsche Exportwirtschaft wächst. Die Ausfuhren kletterten 2012 gegenüber dem bisherigen Spitzenjahr 2011 um 3,4% auf 1,097 Billionen Euro. Während die Lieferungen in die Länder der Euro-Zone um 2,1% auf 411,9 Milliarden Euro sanken, zogen die Exporte in Länder ausserhalb der Europäischen Union kräftig um 8,8% auf 471,7 Milliarden Euro an. Auch die EU-Länder, die nicht der Euro-Zone angehören (z. Bsp. Schweiz), bestellten 3,3% mehr Waren im Wert von 213,8 Milliarden Euro. Für das laufende Jahr rechnet man mit einer Zunahme der Exporte um bis zu 5% und für die Importe um 5,5%. Dank  steigender Exporte um ca. 2,6% soll auch die Schweizer Wirtschaft nach Meinung der Konjunkturforscher in diesem Jahr um 1,4% wachsen. Der Austausch von Waren und Dienstleistungen ist traditionell zwischen der Schweiz und Deutschland am grössten.

Aufgrund der ähnlichen Rechtssysteme, der gemeinsamen Sprache und Kultur ist der Einstieg für KMU ins Auslandsgeschäft im deutschen oder Schweizer Markt gut zu bewerkstelligen. Trotzdem kann durch ein Auslandsengagement schnell eine Betriebsstätte mit unangenehmen Steuerfolgen im Tätigkeitsstaat begründet werden. Teilweise entstehen auch – vom inländischen Unternehmer unbeabsichtigt – neben bereits vorhandenen Auslandstochtergesellschaften steuerliche Betriebsstätten im selben Staat. Diese negativen Steuerfolgen können vermieden werden.

Betriebsstättendefinition

Art. 5 Abs. 1  des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) Schweiz-Deutschland definiert die Betriebsstätte als „eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird”. Die feste Geschäftseinrichtung fordert den Bestand eines örtlichen Elements sowie die dauerhafte Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung als zeitliches Element. 
So soll eine unternehmerische Tätigkeit erst dann im Quellenstaat der Besteuerung unterliegen, wenn diese dort zu einer intensiven geschäftlichen Bindung geführt hat und sich in dieser Bindung eine gewisse „Verwurzelung” des Unternehmens am Ort der Unternehmenstätigkeit ausdrückt. Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung ist dies regelmässig dann gegeben, wenn die feste Geschäftseinrichtung länger als 6 Monate besteht. Beispiele sind:

  • einen Ort der Leitung,
  • eine Zweigniederlassung,
  • eine Geschäftsstelle,
  • eine Fabrikationsstätte,
  • eine Werkstätte,
  • Stätten der Ausbeutung von Bodenschätzen,
  • eine Bauausführung oder Montage, deren Dauer zwölf Monate überschreitet.

Ausnahmen

Nach Art. 5 Abs. 3 DBA Schweiz-Deutschland gelten Einrichtungen und Anlagen mit blossem Hilfscharakter nicht als Betriebsstätten, auch wenn sie eine feste Geschäftseinrichtung darstellen. Es  handelt sich z.B. um

  • Einrichtungen zur Lagerung und Ausstellung  von Waren und Gütern,
  • Güter- und  Warenbestände zur Auslieferung oder (Weiter-) Verarbeitung, 
  • Einkaufseinrichtungen  oder Einrichtungen zur Informationsbeschaffung oder zur Repräsentation. 

Die in solchen Einrichtungen entfalteten Tätigkeiten stellen Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeiten einer (Haupt-) Geschäftstätigkeit dar.  Vorbereitende Tätigkeiten sind solche, die zeitlich vor der Haupttätigkeit  ausgeübt werden. Wird in einer festen Geschäftseinrichtung neben einer vorbereitenden Tätigkeit auch eine Haupttätigkeit  ausgeübt, liegt insgesamt eine einheitliche Betriebsstätte vor,  wenn die  vorbereitende oder (Hilfs-)Tätigkeit mit der Haupttätigkeit wirtschaftlich verflochten ist.

Spezialfälle von Betriebsstätten

Bau- bzw. Montagebetriebsstätte

Zu den Bauausführungen und Montagen zählen sämtliche denkbaren Hoch- und Tiefbauarbeiten, Baunebentätigkeiten sowie Aufgaben der Bauüberwachung. Nicht erfasst werden:

  • Wartungs- und Reparaturarbeiten,
  • Instandhaltungsarbeiten,
  • Gestellung von Arbeitnehmern.

Eine Bauausführung oder Montage ist dann eine Betriebsstätte, wenn ihre Dauer zwölf Monate überschreitet. Die Frist beginnt mit dem Eintreffen des Personals und endet mit der Abnahme des Werkes. Hierbei sollte berücksichtigt werden, dass sich die Dauer schnell über die 12 Monatsfrist verlängern kann, wenn die Abnahme zunächst verweigert und Nachbesserungsarbeiten verlangt werden. Zu beachten ist, dass eine Montagebetriebsstätte samt der sich daraus ergebenden steuerlichen Pflichten bereits mit dem Beginn der Montage entsteht und nicht etwa erst mit Ablauf des fraglichen Zeitraums. Für den im Ausland tätigen Bauunternehmer oder Anlagenbauer ist daher eine vorausschauende Planung und rechtzeitige Einschaltung seines Steuerberaters von grösster Relevanz.
Im jeweiligen Einzelfall kann auch zu prüfen sein, ob und unter welchen Voraussetzungen mehrere Betriebsstätten für die Erfüllung des relevanten Zeitraums in einem Land zusammengerechnet werden. Auch ist zu untersuchen, ob nach jeweiligem Landesrecht neue Aufträge im selben Land durch eine bereits bestehende Betriebsstätte „infiziert“ werden, sprich ob sich die steuerlichen Konsequenzen einer bereits bestehenden Betriebsstätte auf das zweite Projekt, welches unter Umständen selbst nicht die Voraussetzungen für eine Betriebsstätte erfüllt, erstrecken.
Werden Mitarbeiter aus dem Heimatstaat des Unternehmens auf der Bau-oder Montagestätte eingesetzt, kann bereits nach 6 Monaten aus lohnsteuerlicher Sicht eine Betriebsstätte begründet werden, wenn sich die Mitarbeiter länger als 183 Tage im Kalenderjahr dort aufhalten und das Gehalt an die Auslandsbetriebsstätte weiterbelastet wird. Der Betriebsstättenstaat hat dann grundsätzlich ab dem ersten Tag der Betriebsstätte das Besteuerungsrecht für das Gehalt. In Deutschland haftet der ausländische Unternehmer für die Abführung der  Lohnsteuer seiner dort eingesetzten Mitarbeiter an das zuständige Finanzamt.

Vertreterbetriebsstätte

Setzt ein Unternehmen im ausländischen Staat einen angestellten Mitarbeiter ein, um dort die Produkte des Unternehmens zu verkaufen, kann eine sog. „Vertreterbetriebsstätte“ eine Steuerpflicht des Unternehmens auslösen. Dieser sog. „ständige Vertreter“ ist eine von einem Unternehmen weisungsabhängige Person, die nachhaltig mit Abschlussvollmacht Geschäfte des Unternehmens besorgt, z.B. Verträge abschliesst. Ständiger Vertreter kann auch eine Kapitalgesellschaft sein. 
 
Nach Art 5 Abs. 4 des DBA Schweiz-Deutschland gilt das nicht für einen Makler, Kommissionär, selbständigen Handelsvertreter oder eine andere Person, die im Rahmen ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit derartige Besorgungen unabhängig vornimmt. Blosse Hilfs- oder Vorbereitungstätigkeiten begründen ebenfalls keine Betriebsstätte. Die negativen steuerlichen Folgen einer Vertreterbetriebsstätte werden unter folgenden Voraussetzungen ausgelöst:

  • Es ist eine Person (Vertreter) vorhanden, die für ein Unternehmen in einem anderen Staat als dem  Sitzstaat tätig wird, 
  • die Person besitzt Vollmacht, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschliessen, 
  • die Person übt die Vollmacht auch gewöhnlich aus.

Dienstleistungsbetriebsstätte

Auch die Erbringung von Dienstleistungen (z. Bsp. Unternehmensberatungen in Form von IT-Schulungen) in den Räumen des ausländischen Kunden kann eine Betriebsstätte begründen, wenn der ausländische Unternehmer Verfügungsmacht über die ihm zugewiesenen Geschäftseinrichtungen des Auftragnehmers hat. 

Nach der Auffassung des deutschen Bundesfinanzhofes (BFH) genügt das blosse Tätigwerden in den Räumlichkeiten des Vertragspartners für sich genommen selbst dann nicht zur Begründung der erforderlichen Verfügungsmacht für eine feste Geschäftseinrichtung, wenn die Tätigkeit über mehrere Jahre hinweg erbracht wird.  Neben der zeitlichen Komponente müssen zusätzliche Umstände auf eine auch örtliche Verfestigung der Tätigkeit schliessen lassen (BFH, 04.06.2008 – I R 30/07 in Abgrenzung zu BFH, 14.07.2004 – I R 106/03, BFH/NV 2005, 154). Daher müssen die Räumlichkeiten dem Nutzenden „vermietet oder in vergleichbarer Weise überlassen werden und dieser einen selbständigen Zutritt haben, um eine steuerliche Betriebsstätte zu begründen.
Auf Ebene der OECD gibt es aktuelle Entwicklungen den Begriff der Betriebsstätte bei  Dienstleistungen weiter auszudehnen. Danach soll zur Annahme einer Betriebsstätte im Tätigkeitsstaat keine feste Geschäftseinrichtung mehr verlangt werden. Eine Dienstleistungsbetriebsstätte soll schon dann vorliegen, wenn natürliche Personen für mehr als 6 Monate im anderen Staat tätig sind. Gegen diese weite Auslegung des Betriebsstättenbegriffs haben sich die Mitgliedstaaten (insbesondere Deutschland und die Schweiz) aber bisher erfolgreich wehren können.

Fazit

Es ist unerlässlich, rechtzeitig  vor Beginn eines Auslandsprojektes die möglichen rechtlichen und steuerlichen Konsequenzen im Tätigkeitsstaat zu überprüfen und auch während der Durchführung des Projektes immer wieder zu kontrollieren, um Doppelbesteuerungen und Strafsteuern zu vermeiden. Rechtsanwalt Rolf Lüpke steht Ihnen hierbei gerne beratend zur Seite.

Rechtsanwalt Rolf Lüpke steht Ihnen gerne für Rückfragen und für eine individuelle Beratung zur Verfügung.

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