Grenzenlos Recht Rolf Lüpke Rechtsanwalt MAES

Mandantenbrief

Die wachsende internationale Mobilität bringt es mit sich, dass auch grenzüberschreitende Erbfälle an Bedeutung gewinnen. Über aktuelle rechtliche Entwicklungen soll nachfolgend berichtet werden. Auf Ebene der Europäischen Union wird ab dem 17. August 2015 die Europäische Erbrechtsverordnung (Verordnung EU Nr. 650/2012, EU-ErbVO) gelten. Diese neue EU-Verordnung ist auch auf deutsch-schweizerische Erbfälle anzuwenden, die am und nach dem 17.08.2015 eintreten. In Deutschland muss der Gesetzgeber das Erbschaftsteuergesetz nachbessern, nachdem das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 17.12.2014 die bisherige Regelung zur Steuerfreiheit bei Betriebsvermögen als zu grosszügig und damit als Verstoss gegen den Gleichheitsgrundsatz angesehen hat. In der Schweiz entscheidet das Volk am 14. Juni über die Erbschaftsteuerinitiative, deren Initianten eine Bundessteuer von 20% auf Nachlässe von über 2 Millionen Franken durchsetzen wollen.

Europäische Erbrechtsverordnung 

Bisher unterliegt nach deutschem Recht (Art. 25 EGBGB) die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes angehörte. Nach Schweizer Erbrecht gilt das Recht des Staates, in dem der Erblasser seinen Wohnsitz zum Zeitpunkt seines Todes hatte (Art. 90 IPRG). 
Nach der neuen EU-Erb-Verordnung unterliegt ab dem 17. August 2015 die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen – wie auch jetzt schon nach den schweizerischen Vorschriften – dem Recht des Staates, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. 
Als „gewöhnlicher Aufenthalt“ wird im deutschen wie im schweizerischen Erbrecht der Ort oder das Land verstanden, in dem sich der Lebensmittelpunkt des oder der Verstorbenen befunden hat. Für die Festlegung des gewöhnlichen Aufenthalts gelten bestimmte Kriterien: Schwerpunkt der familiären, beruflichen und sozialen Beziehungen und sonstige Umstände, die auf einen längerfristigen Verbleib schliessen lassen.. Kurzfristige, vorübergehende Aufenthalte bleiben bei der Festlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in aller Regel unberücksichtigt.
Gemäss der neuen EU-Erb-Verordnung werden zukünftig am 17.08.2015 oder danach verstorbene Deutsche mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz nicht mehr nach deutschem, sondern nach schweizerischem Recht beerbt werden. 
Die Anwendung des schweizerischen Erbrechts kann im Einzelfall zu größeren Abweichungen und ungewollten Ergebnissen hinsichtlich des ursprünglich beabsichtigen Ergebnisses nach deutschem Recht führen, insbesondere im Bereich des Testamentswesen, des Pflichtteilsrechts für überlebende Ehepartner und Kinder und des güterrechtlichen Einflusses auf die Erbquote. 
Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz haben, aber weiterhin möchten, dass im Fall ihres Todes das deutsche Erbrecht Anwendung findet, sollten künftig eine entsprechende Rechtswahl treffen. Diese Rechtswahl muss entweder ausdrücklich in einer Verfügung von Todes wegen – meist ist das ein handschriftliches oder notarielles Testament – oder sich zumindest aus den sonstigen Bestimmungen einer solchen Verfügung von Todes wegen ergeben. 
Eine Rechtswahlerklärung kann auch schon vor dem 17.08.2015 verfasst werden, unabhängig davon, dass die EU-Erb-Verordnung erst mit Wirkung vom 17.08.2015 in Kraft tritt. 

Reform der deutschen Erbschaftsteuer 

Bisherige Rechtslage 

 Begünstigtes Unternehmensvermögen wird unabhängig vom Gesamtwert entweder zu 85% oder zu 100% von der Erbschaftsteuer verschont. Voraussetzung hierfür ist, dass 

  • der Erwerber das Unternehmen fortführt (5 bzw. 7 Jahre),
  • die Arbeitsplätze gemessen anhand der Lohnsummen (400% bzw. 700% der Ausgangslohnsumme) erhalten bleiben und
  • das Verwaltungsvermögen im Unternehmen einen Anteil von 50 bzw. 10 nicht übersteigt.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hält die Verschonungsregelungen grundsätzlich für geeignet und erforderlich. Die bestehenden Verschonungsregelungen verstossen angesichts ihres Übermasses aber teilweise gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12). Die §§ 13a, 13b Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) können in ihrer Struktur erhalten bleiben, soweit aufgrund des Urteils kein Änderungsbedarf besteht. Dies erfordert minimale invasive Korrekturen der bestehenden Verschonungsregelungen. Das Gericht hat dem Gesetzgeber aufgetragen, die beanstandeten Regelungen der §§ 13a, 13b ErbStG bis zum 30.06.2016 verfassungskonform auszugestalten. Bis dahin gelten die entsprechenden Regelungen grundsätzlich weiter. 
Nach den bisherigen Regelungen des § 13 Abs. 1, Abs. 2 ErbStG ist Betriebsvermögen nur durch den 85 %- bzw. 100 %- Verschonungsabschlag begünstigt, wenn es sich nicht um Verwaltungsvermögen handelt. Als schädliches Verwaltungsvermögen gelten insbesondere 

  • Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke und ähnliche Rechte (regelmässig Vermietungen, Ausnahmen bei sog. Betriebsaufspaltung),
  • Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die unmittelbare Beteiligung am Nennkapital 25 % oder weniger beträgt oder bei höherer Beteiligung die Verwaltungsvermögensquote, insoweit entsprechendes gilt für Anteile an Personengesellschaften,
  • Wertpapiere oder vergleichbare Forderungen sowie z.B. Kunstgegenstände, wenn der Handel mit den Objekten nicht Hauptzweck eines Gewerbebetriebs ist.

Unschädlich ist eine Quote von Verwaltungsvermögen im Betriebsvermögen von bis zu 50 % bei der Regelverschonung (85 % Steuerbefreiung) und von bis zu 10 % bei der Optionsverschonung (100 % Steuerbefreiung). 
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun erste Eckpunkte für mögliche, verfassungskonforme Neuregelungen vorgelegt. Diese können in Teilen zu erheblichen Verschärfungen führen. 

Neudefinition des begünstigten betrieblichen Vermögens 

Der Begriff des begünstigten Vermögens wird neu definiert. Die bisherige Definition des Verwaltungsvermögens kann entfallen. Zum begünstigten Vermögen gehören alle Wirtschaftsgüter eines Unternehmens, die im Erwerbszeitpunkt zu mehr als 50% (überwiegend) einer land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit (Hauptzweck) dienen. Nicht begünstigt sind Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb nur bis zu 50% oder die losgelöst vom Betrieb der Vermögensverwaltung dienen. Die Abgrenzung nach dem Hauptzweck führt zielgenauer dazu, dass bisher nicht begünstigtes Vermögen zutreffend begünstigt wird und umgekehrt. Die Ermittlung des begünstigten Vermögens gilt rechtsformneutral für alle Unternehmensformen (Einzelbetrieb, Personengesellschaft, Kapitalgesellschaft). 
 Zur folgerichtigen Umsetzung des Hauptzwecks werden die betrieblichen Schulden konsolidiert und anteilig dem begünstigen und nicht begünstigten Vermögen zugeordnet (konsolidierte Netto- Betrachtung). Beträgt der Anteil des Verwaltungsvermögens 10 oder weniger des Vermögens, ist dies unschädlich.

Erwerbsfreigrenze von 20 Mio. € 

Laut dem Urteil des BVerfG ist die Begünstigung von mittelständischen Unternehmen grundsätzlich verfassungskonform und auch gewollt. Allerdings begünstigen die bisherigen Verschonungsregelungen unabhängig davon auch Großunternehmen, die eben keine mittelständische Prägung mehr aufweisen. Die bisherige Ausgestaltung der Begünstigung ohne weitere Prüfung sah das BVerfG kritisch und gab dem Gesetzgeber den Auftrag zur Korrektur. 
Dementsprechend soll nach den Vorstellungen des BMF nun für die Inanspruchnahme der Verschonungsregelungen eine erwerbsbezogene Freigrenze von 20 Mio. € gelten. Die Grenze bezieht sich dabei nicht auf das Gesamtvermögen, sondern nur auf den begünstigten Teil. Soweit der Erwerb oberhalb dieser Freigrenze liegt, ist die Inanspruchnahme der Verschonung grundsätzlich nicht mehr möglich (siehe aber untenstehend zur Bedürfnisprüfung). Die Freigrenze soll alle zehn Jahre in Anspruch genommen werden können. Aufgrund der erwerberbezogenen Ausgestaltung kann die Freigrenze jedoch von jedem einzelnen Erwerber genutzt werden. 

Bedürfnisprüfung bei Überschreiten der Freigrenze 

Bei Überschreiten der Freigrenze soll eine individuelle Bedürfnisprüfung vorgenommen werden. Im Rahmen dieser Prüfung muss der Erwerber den Nachweis antreten, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuerschuld sofort zu begleichen. Für die Begleichung der Steuer sollen sowohl das Privatvermögen des Erwerbers als auch das bei der Erbschaft oder Schenkung übergangene Privatvermögen eingesetzt werden. Insgesamt soll jedoch die Einbeziehung des vorhandenen und des erworbenen Privatvermögens auf 50 % der Gesamtsumme gedeckelt werden. 
Eine Stundung der Steuer soll dann möglich sein, wenn das Privatvermögen erst noch liquidiert werden muss. Sofern das Vermögen nur teilweise ausreicht, die auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuerschuld zu tilgen, kann der Restbetrag unter Beachtung der bisherigen Haltefristen und Lohnsummenregelungen erlassen werden. 

Neuerungen bei der Lohnsummenregelung

Nach der Lohnsummenregelung in § 13a Abs. 1 ErbStG dürfen im Rahmen der Regelverschonung innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb insgesamt 400 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschritten werden. Ausgangslohnsumme ist hierbei die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf Wirtschaftsjahre vor dem Jahr der Entstehung der Steuer. Die Vergünstigung fällt bei Verstoss prozentual zum bereits abgelaufenen Fünf-Jahreszeitraum weg. Bei der Optionsverschonung gelten eine Lohnsummenfrist von sieben Jahren sowie eine Lohnsumme von 700 %.
 Bisher wurde die Lohnsummenregelung erst bei mehr als 20 Arbeitnehmern angewandt. Diese Vergünstigung wurde vom BVerfG als verfassungswidrig eingestuft und soll nun auch entfallen. Stattdessen soll auf die Prüfung der Lohnsummenregelung bei Unternehmen mit einem Unternehmenswert von unter 1 Mio. € verzichtet werden. Die Regelungen zu den Haltefristen sollen jedoch auch bei diesen Unternehmen zu beachten sein. 
Dem Vernehmen nach stellen die Eckpunkte jedoch nur eine Diskussionsgrundlage dar, das Endergebnis kann sich also noch ändern. Es hat sich auch schon heftiger Widerstand seitens der deutschen Wirtschaftsverbände gegen die Eckpunkte erhoben. Das Gesetzgebungsverfahren soll nach Plänen des BMF noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. 

Erbschaftsteuerinitiative in der Schweiz 

Die Erbschaftsteuerinitiative fordert die Einführung einer Bundessteuer von 20 % auf Nachlässe von über 2 Millionen Franken. Im Einzelnen sieht die Initiative vor: 

  • Die Kompetenz, Erbschafts- und Schenkungssteuern zu erheben, soll von den Kantonen auf den Bund übergehen (neuer Art. 129a BV). Die Kantone werden dafür entschädigt, indem sie 1/3 des Ertrages erhalten sollen. Die kantonalen Erbschafts- und Schenkungssteuern soll abgeschafft werden.
  • Die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) soll neu auch aus den Erträgen einer Erbschafts- und Schenkungssteuer finanziert werden (Ergänzung von Art. 112 BV). 2/3 der Steuereinnahmen sollen zweckgebunden an die AHV gehen.
  • Besteuert werden soll der Nachlass von natürlichen Personen, die ihren letzten Wohnsitz in der Schweiz hatten oder bei denen der Erbgang in der Schweiz eröffnet worden ist, nicht die einzelnen Erben. Die Schenkungssteuer soll beim Schenkgeber erhoben werden. 
  • Freibeträge sollen dafür sorgen, dass der Mittelstand nicht belastet wird:
    • Allgemeiner Freibetrag: CHF 2 Mio.
    • Freibetrag für Gelegenheitsgeschenke: CHF 20”˜000 pro Jahr und beschenkte Person
  • Gehört zum Nachlass oder zur Schenkung ein Unternehmen, sollen bei der Bewertung und beim Steuersatz erhebliche Erleichterungen gewährt werden, um deren Bestand und die Arbeitsplätze nicht zu gefährden. Das Initiativkomitee geht davon aus, dass die Bundesversammlung einen reduzierten Steuersatz von 5% und einen hoher Freibetrag von bis zu CHF 50 Mio. in das Bundesgesetz aufnehmen wird. 
  • Die Steuer soll mit einem einheitlichen Satz von 20% ausgestaltet werden.
  • Schenkungen von mehr als CHF 20`000 pro Jahr und Person sollen rückwirkend per 1. Januar 2012 der Besteuerung unterliegen.
  • Zuwendungen an Ehepartner / registrierten Partner sowie an steuerbefreite juristische Personen sollen steuerfrei gestellt werden.

Die Erbschaftsteuerinitiative wird von der Schweizer Regierung, den Regierungsvertretern der Kantone und der Wirtschaft heftig kritisiert. 
Bei der Erbschaftssteuer handelt es sich um eine traditionelle Kompetenz der Kantone. Kommt die Erbschaftssteuer-Initiative an der Urne durch, dürfen die Kantone keine Erbschaftssteuern mehr erheben. Zwar haben die meisten Kantone in den letzten Jahren den Umfang ihrer Erbschaftssteuern reduziert, aber entgegen dem „verbreiteten Missverständnis“ nicht abgeschafft: Die Steuersätze für Nichtverwandte könnten bis zu 40 Prozent erreichen. Die Kantone machen allerdings heute sehr unterschiedlich von der Erbschaftssteuer Gebrauch. Heute verdienen die Kantone mit der Erbschaftssteuer rund 900 Millionen Franken. Zwar könnte die nationale Erbschaftssteuer laut Berechnungen des Finanzdepartements ein Aufkommen von 3 Milliarden Franken generieren, wovon zwei Drittel der AHV und ein Drittel den Kantonen zukommen würden. Sie berücksichtigten überdies die vorgesehenen Entlastungen für Familienunternehmen und Landwirtschaftsbetriebe nicht. Auch dürften die Finanzprobleme der AHV mit 2 Milliarden Franken nicht gelöst sein. 
Bei Rückfragen steht Ihnen Rechtsanwalt Rolf Lüpke gerne zur Verfügung. Er berät Sie insbesondere gerne zu allen grenzüberschreitenden erbrechtlichen und erbschaftsteuerlichen Fragen. 
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