Mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses am 15. Januar dieses Jahres hat die Schweizer Nationalbank viele überrascht und die Wirtschaft vor grosse Herausforderungen gestellt. Um Entlassungen zu vermeiden, bitten Unternehmen Ihre Mitarbeiter freiwillig auf Lohn zu verzichten. Grenzgänger in Schweizer Unternehmen sollen einer Auszahlung ihres regelmässigen Gehalts in Euro statt in Franken zustimmen. Auch haben bereits vor drei Jahren bei Einführung der Währungsuntergrenze viele Schweizer Firmen reagiert und eigene Produktionsstandorte im Ausland aufgebaut, um gegebenenfalls bei Aufhebung der währungspolitischen Massnahme schnell und flexibel Personal einsetzen zu können (vgl. Neue Zürcher Zeitung vom 1.2.2015). Hierfür bot sich für den Aufbau einer EU-Niederlassung der auch der grenznahe deutsche Wirtschaftsstandort aufgrund der gemeinsamen Sprache, der ähnlichen Rechtsordnungen, Kultur auch als sog. „Exportstandort“ an.
Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in Deutschland und der Schweiz muss sich aber auch gefragt werden, ob man bei Produktionsverlagerungen bewährte Mitarbeiter entlassen sollte. Möglicherweise ist der eine oder andere auch – deutsche Mitarbeiter – bereit, grenzüberschreitend am neuen Produktionsstandort oder auch von seinem Home-Office in Deutschland zu arbeiten. Um unnötige Kosten zu vermeiden, müssen für diese Schritte unbedingt die bi- und unilateralen steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften beachtet werden, welche den internationalen Mitarbeitereinsatz regeln. Nachfolgend soll auf diese Fragen kurz eingegangen werden.
Grenzüberschreitender Mitarbeitereinsatz
Steuerrecht
Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland (DBA) ist grundsätzlich der Ansässigkeitsstaat zur Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit befugt. Damit steht z. B. der Bundesrepublik Deutschland das Besteuerungsrecht zu, wenn solche Mitarbeiter aus der Schweiz ihren Wohnsitz in Deutschland nehmen und ein Anstellungsverhältnis beispielsweise bei einem deutschen Tochterunternehmen begründet wird. Es gibt aber Sonderregelungen nach Art. 15a DBA für sog. „Grenzgänger“, die nach ihrer Arbeit im Tätigkeitsstaat (z. Bsp. Deutschland) täglich an ihren Wohnort (z. Bsp. Schweiz) zurückkehren. Sie entrichten im Tätigkeitsstaat eine Quellensteuer in Höhe von 4,5% ihres Gehalts und unterliegen weiterhin der unbeschränkten Steuerpflicht im Wohnsitzstaat. Unter bestimmten Voraussetzungen können auch vorübergehend in den Tätigkeitsstaat entsandte Arbeitnehmer weiterhin im Wohnsitzstaat steuerpflichtig bleiben, wenn sie sich nicht länger als 183 Tage im Tätigkeitsstaat aufhalten und das dortige Unternehmen oder eine Betriebsstätte des ursprünglichen Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat ihren Arbeitslohn nicht tragen (Art. 15 Abs. 2 DBA).
Ein sog. BMF-Schreiben in der Neufassung v. 12.10.2014 – IV B 2 – S 1300/08/10027 – zur steuerlichen Behandlung des Arbeitslohns – regelt aus Sicht des deutschen Bundesfinanzministeriums Einzelheiten hierzu. Die Neufassung wurde an die aktuellen Entwicklungen in der OECD und der Rechtsprechung sowie die zwischenzeitlich eingetretenen Rechtsänderungen angepasst. Das Schreiben enthält ausführliche Erläuterungen zur Bestimmung des wirtschaftlichen Arbeitgebers im Sinne der 183-Tage-Regelung und der abkommensrechtlichen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse bei grenzüberschreitender konzerninterner Arbeitnehmerüberlassung.
Sozialversicherungsrecht
Bisher waren Arbeitnehmer und Selbständige bei Erwerbstätigkeit in mehreren Staaten in der Regel dem Sozialversicherungsrecht ihres Wohnstaates unterstellt. Dabei waren weder der Tätigkeitsgrad im Wohnstaat noch die Anzahl und der Sitz der Arbeitgeber relevant. Seit 1. April 2012 hängt die Versicherungsunterstellung massgeblich davon ab, ob ein wesentlicher Teil der Erwerbstätigkeit im Wohnstaat ausgeübt wird. Doppelunterstellungen oder andere Sondervorschriften sind nicht mehr möglich. Für denselben Arbeitgeber in mehreren Staaten beschäftigte Arbeitnehmer müssen mindestens 25 % ihrer Erwerbstätigkeit im Wohnstaat ausüben. Damit bleiben sie dem Sozialversicherungsrecht ihres Wohnstaates unterstellt.
Home-Office-Lösungen und grenzüberschreitende Tätigkeit von Arbeitnehmern
Unternehmen können aus organisatorischen, arbeitsrechtlichen oder auch Kostengründen Ihren Mitarbeitern anbieten, von zu Hause aus ihre Arbeitsleistung zu erbringen. Z. Bsp. könnte ein bisher deutscher Wochenaufenthalter für 3 Tage an seinem Familienwohnsitz in Deutschland und an 2 Tagen am Firmensitz in der Schweiz arbeiten.
Steuerrecht
Für das Unternehmen stellt sich die Frage, ob es am Wohnort des Mitarbeiters aufgrund dessen Tätigkeit eine Betriebsstätte und damit eine eigene Steuerpflicht in Deutschland auslöst. Als eine Betriebsstätte gilt eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Zusätzlich muss das Unternehmen über den Mitarbeiter in steuerrechtlicher Hinsicht Verfügungsmacht über das Büro ausüben.
Eine steuerliche Anknüpfung für das Unternehmen kann sich ergeben, wenn etwa ein Mitarbeiter seine Arbeiten von zu Hause aus erledigt, weil der Arbeitgeber ihm keinen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt, obwohl der Natur der Arbeit nach ein solcher vonnöten ist. Eine gelegentliche Home-Office-Tätigkeit, die oftmals sogar nur Hilfscharakter hat, wird dagegen im internationalen Verhältnis tendenziell keine Steuerpflicht für das Unternehmen am Home-Office-Standort begründen. Ob und, wenn ja, in welchem Umfang die Arbeitstätigkeit eines Mitarbeitenden in seinem Home Office für das Unternehmen im internationalen Verhältnis eine Betriebsstätte mit Steuerpflicht begründen kann, ist insbesondere von der konkreten Tätigkeit des Mitarbeitenden, dessen Funktion im Unternehmen sowie der Ausgestaltung und Umsetzung des angewendeten Home-Office-Modells abhängig. Sobald das Home Office als dem Unternehmen zugehörige, ständige Einrichtung betrachtet wird, in der wesentliche Tätigkeiten des betrieblichen Unternehmensbereichs ausgeführt werden, kann eine Steuerpflicht vorliegen. Einmal mehr ist jeder Sachverhalt gesondert zu prüfen.
Die persönliche Steuerpflicht des Mitarbeiters steht in der Regel dem Ansässigkeitsstaat zu, indem der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz und Lebensmittelpunkt hat. Auf das obige Beispiel bezogen, muss er die Tätigkeit im Home Office in Deutschland an seinem Wohnsitzstaat versteuern. Für die zwei -tägige Tätigkeit im Stammhaus in der Schweiz unterliegt der Mitarbeiter dort mit seinem Gehalt der beschränkten Steuerpflicht. In Deutschland ist dieser Teil des Gehalts unter Progressionsvorbehalt von der Steuerpflicht befreit.
Sozialversicherungsrecht
In grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen wirft auch das Home Office sozialversicherungsrechtliche Unterstellungsfragen auf. Für denselben Arbeitgeber in mehreren Staaten beschäftigte Arbeitnehmer sind dem Sozialversicherungsrecht ihres Wohnstaates unterstellt, wenn sie mindestens 25 % ihrer Erwerbstätigkeit im Wohnstaat ausüben. In dem obigen Beispiel ist der Mitarbeiter für seine gesamte Tätigkeit den deutschen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zu unterstellen.
Gründung einer Niederlassung in Deutschland
Vor dem Hintergrund des starken Schweizer Frankens überlegen sich auch exportorientierte Unternehmen, die bisher keine Tochtergesellschaft im Ausland hatten, eine Niederlassung im benachbarten Ausland (z. Bsp. Deutschland) zu eröffnen. In der Regel denkt man dabei zunächst immer an die Gründung einer Kapitalgesellschaft (z. Bsp. GmbH). Diese ist vorteilhaft bezüglich der Haftungsbegrenzung und Akzeptanz am Markt und bei Behörden. Nachteile liegen im relativ hohen Gründungsaufwand und dem umständlichen und langen Abwicklungsverfahren in der Liquidation, wenn man den Standort wieder auflösen möchte. Im Gegensatz hierzu hat die Eröffnung einer Betriebsstätte im Ausland im Vergleich zur GmbH Vorteile in einem kaum formalisierten Gründungsverfahren und dem Fehlen von Mindestkapitalerfordernissen. Hauptnachteil ist jedoch die umfassende Haftung der Geschäftsleitung der GmbH (Stammhaus) für die Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte. Gleichwohl bleibt die mit der Rechtsform der GmbH einhergehende Haftungsbeschränkung unberührt.
Steuerrechtlich werden die Einkünfte der Betriebsstätte im Tätigkeitsstaat besteuert und sind im Sitzstaat des Stammhauses unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung befreit. Zur Ermittlung der Einkünfte in Deutschland hat erst kürzlich der deutsche Gesetzgeber am 13.10.2014 die sog. Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) verabschiedet, welche die in der Ermächtigungsnorm des § 1 Abs. 5 und 6 Aussensteuergesetz (AStG) bestehenden Regelungen zur Umsetzung des Authorised OECD Approach (AOA) konkretisiert. Kerngedanke des AOA ist die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für steuerliche Zwecke und damit die konsequente Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auch im Innenverhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte.
In einem zweistufigen Verfahren sich dabei zunächst anhand der vor Ort tätigen Personen die Funktionen zu bestimmen, die der Betriebsstätte zuzuordnen sind (Personalfunktionen) Im nächsten Zug werden die mit den ausgeübten Funktionen verbundenen Vermögenswerte und die übernommenen Risiken den einzelnen Teilen des Einheitsunternehmens zugeordnet. Schliesslich ist der Betriebsstätte das für die Ausübung der Funktionen und für die Übernahme der Risiken notwendiges Eigenkapital zuzuordnen. Auf der Basis dieser Zuordnung erfolgt dann auf der zweiten Stufe die Bestimmung der Art der Geschäftsbeziehung sowie die Ermittlung der fremdüblichen Vergütung derselben. Hierfür sollen die Ausführungen der OECD Verrechnungspreisgrundsätze analoge Anwendung finden.
Nach Ansicht der deutschen Finanzverwaltung soll durch die Rechtsverordnung – noch konkreter als durch das Gesetz möglich – ”Žsichergestellt werden, dass von Steuerpflichtigen und Verwaltung ”Žwettbewerbsneutrale und im internationalen Kontext akzeptable Lösungen gefunden ”Žwerden, die auf den international anerkannten Grundsätzen für die ”ŽEinkünfteaufteilung von Betriebsstätten basieren. Dies soll deutsche ”ŽBesteuerungsrechte sichern und helfen, internationale Besteuerungskonflikte zu vermeiden.
Standort Schweiz auch zukünftig attraktiv für deutsche Unternehmen
Vor der ganzen Diskussion über die negativen Auswirkungen des starken Schweizer Frankens auf die Exportwirtschaft darf nicht vergessen werden, dass der Schweizer Wirtschaftsstandort nach wie vor für deutsche Unternehmen attraktiv ist. Die Binnenkonjunktur läuft nach wie vor und die Nachfrage nach spezialisierten Dienstleistungen ist gross. Daneben plant der Gesetzgeber eine umfassende Unternehmenssteuerreform III, welche auch zukünftig für Kapitalgesellschaften niedrige Steuersätze vorsieht. Auch hat sich in jüngsten Umfragen die Mehrheit der Bevölkerung für die Beibehaltung der Bilateralen Verträge und damit der Personenfreizügigeit zwischen der Schweiz und der Europäischen Union ausgesprochen. Der Schritt über die Grenze zur Erschliessung eines attraktiven Marktes mit hoher Nachfrage ist deshalb nach wie vor auch für deutsche Unternehmen attraktiv. Wer die Gründung einer GmbH oder Aktiengesellschaft scheut, kann auch zunächst mit einer Zweigniederlassung beginnen, auf die die zuvor erwähnten Regelungen zur Betriebsstätte Anwendung finden.
Bei Rückfragen steht Ihnen Rechtsanwalt Rolf Lüpke gerne zur Verfügung.
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