Grenzenlos Recht Rolf Lüpke Rechtsanwalt MAES

Mandantenbrief

Die starke wirtschaftliche und kulturelle Verflechtung zwischen der Schweiz und Deutschland hat auch Auswirkungen auf die persönlichen Beziehungen der Menschen in beiden Ländern, in dem sie z. Bsp. den Arbeitsplatz und Wohnsitz über die Grenze verlegen, einen schweizerischen oder deutschen Partner heiraten oder ein Grundstück oder Betriebsvermögen als Privatperson im jeweils anderen Land erwerben. Die Mobilität kommt an ihre Grenzen, wenn bei Eintritt eines Erbfalls die unterschiedlichen Rechtssysteme bezüglichen des anwendbaren Erbrechts und Erbschaftsteuerrechts beider Länder miteinander kollidieren.

Grundsätze im Zivilrecht

Schweiz

Art. 90 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) bestimmt, dass der Nachlass einer Person mit letztem Wohnsitz in der Schweiz dem schweizerischen materiellen Recht untersteht (Erbstatut). Im Sinne des Grundsatzes der Nachlasseinheit kommt das schweizerische Erbstatut mit Bezug auf sämtliche Nachlassgegenstände zur Anwendung, mithin ohne Rücksicht darauf, wo sich die Vermögenswerte befinden. Somit werden auch die ausländischen Grundstücke des Erblassers gemäss den Bestimmungen des schweizerischen Erbrechts vererbt. Eine Ausnahme zur grundsätzlichen Anwendbarkeit des schweizerischen materiellen Rechts im Falle der schweizerischen Nachlasszuständigkeit besteht insoweit, als ein Erblasser mit ausländischer Staatsangehörigkeit durch letztwillige Verfügung oder Erbvertrag den Nachlass einem seiner Heimatrechte unterstellen kann (Art. 90 Abs. 2 IPRG).

Deutschland

Für den in Deutschland ansässigen Deutschen ist aus Sicht des deutschen Internationalen Privatrechts grundsätzlich das Staatsangehörigkeitsrecht massgeblich gemäss Art. 25 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB). Staatsverträge bestehen zwischen Deutschland und der Schweiz auf dem Gebiet des Erbrechts nicht. Da die Schweiz selbst in ihrem Internationalen Privatrecht ausschliesslich das Wohnsitzprinzip anwendet, aber keine Nachlassspaltung durch Sonderanknüpfung für z. B. auf ihrem Hoheitsgebiet belegene Grundstücke kennt, kommt es auch nicht zu einer Einschränkung des Erbstatuts (Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit) nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB.
Im deutschen Recht regelt das Erbstatut auch alle Bereiche, die mit dem Erbfall zusammenhängen, z. B. den Kreis der gesetzlichen Erben, Erbquoten, Pflichtteilsrecht, Erbfähig- und -unwürdigkeit, die Zulässigkeit testamentarischer Institute wie Vor- und Nacherbschaft, den Erwerb der Erbschaft und den Umfang des Nachlasses, die Rechtsstellung eines Testamentsvollstreckers, Annahme und Ausschlagung der Erbschaft, Nachlassverbindlichkeiten, Auslegung von Testamenten und die Erbauseinandersetzung.
Diese hier erwähnten Grundsätze können aber in beiden Rechtsordnungen durch sog. Kollisionsnormen beeinflusst werden, welche eine Weiter- bzw. Rückverweisung zur jeweils anderen Rechtsordnung vorschreiben können, sodass es auf den konkreten Einzelfall ankommt, um die jeweils anwendbare Rechtsordnung zu bestimmen.

Erbschaftsteuer

Deutschland

Die Steuer ist als Erbanfallsteuer ausgestaltet, sie knüpft also an den konkreten Erwerb des jeweiligen Erben, Pflichtteilsberechtigten, Vermächtnisnehmers oder sonstigen Erwerbers an. Ihr Anknüpfungspunkt ist nicht – wie beim System der Nachlasssteuer, das in anderen Staaten gilt – das vom Erblasser hinterlassene Vermögen als Ganzes.
Bei unbeschränkter Erbschaftsteuerpflicht unterliegt der Steuer der gesamte Vermögensanfall, auch mit seinen im Ausland belegenen Teilen, bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht nur das im Inland belegene Vermögen (Inlandsvermögen). Unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht besteht, wenn der Erblasser oder der Erwerber zum Zeitpunkt des Todes (oder der Schenkung) Inländer ist. Als Inländer gelten alle Personen, die im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, bei deutschen Staatsangehörigen auch noch bis zu fünf Jahren nach ihrem Wegzug, sowie Gesellschaften oder Körperschaften, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben gemäss § 2 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG).

Freibetrag

Allerdings steht jedem unbeschränkt steuerpflichtigen Erwerber (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG) ein persönlicher Freibetrag zu, der sowohl für Erwerbe von Todes wegen als auch für Schenkungen unter Lebenden gilt (§ 16 ErbStG). Der Schenkungsfreibetrag kann alle zehn Jahre erneut genutzt werden. Der Freibetrag beträgt für

  • den Ehegatten/Lebenspartner: 500.000 €;
  • jedes Kind/Stiefkind: 400.000 €;
  • jedes Kind eines verstorbenen Kindes/Stiefkindes: 400.000 €;
  • jedes Kind eines lebenden Kindes/Stiefkindes: 200.000 €;
  • jede sonstige Person aus Steuerklasse I: 100.000 €;
  • jede Person aus Steuerklasse II oder III: 20.000 €.

Zusätzlich wird beim Erbfall dem überlebenden Ehegatten/Lebenspartner und den Kindern ein besonderer Versorgungsfreibetrag gewährt (§ 17 ERbStG).

Schweiz

Im Gegensatz zu Deutschland kennt die Schweiz keine Bundeserbschaftsteuer. Die entsprechende Kompetenz steht vielmehr den 26 Kantonen zu, welche diese Befugnis mitunter auch mit den Gemeinden teilen oder an diese weitergeben. Diese Besonderheit macht eine Abgrenzung auch im interkantonalen Verhältnis nötig: Grundsätzlich darf derjenige Kanton die Erbschaftssteuer erheben, in welchem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte. Vorbehalten bleibt das unbewegliche Vermögen, welches dem Belegenheitskanton zur Besteuerung zusteht. Sämtliche Kantone – mit Ausnahme des Kantons Schwyz – erheben Erbschaftsteuern. Bemerkenswert sind jedoch die Steuerausnahmen: Alle Kantone befreien den überlebenden Ehegatten von der Erbschaftsteuerpflicht. Auch Nachkommen (Kinder und Enkel) sind in den meisten Kantonen von der Steuer befreit.

Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland

Die Besteuerung von internationalen Erbfällen zwischen der Schweiz und Deutschland ist im Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Nachlass- und Erbschaftssteuern von 1978 (DBA-Erb) wie folgt geregelt: Das primäre Besteuerungsrecht wird dem Wohnsitzstaat des Erblassers zugewiesen. Stirbt somit ein in der Schweiz wohnhafter Erblasser und vererbt er Bargeld, Bankanlagen u.ä., so unterliegt das vererbte Vermögen grundsätzlich in der Schweiz der Erbschaftssteuer. Ausgeklammert bleibt unbewegliches Vermögen und Betriebsstättenvermögen, welches dem Belegenheits- resp. Betriebsstättenstaat zur Besteuerung zusteht. Besitzt somit der in der Schweiz wohnhafte Erblasser zudem eine Liegenschaft in Deutschland, ist dieser Vermögenswert Deutschland zur Besteuerung vorbehalten.

EuGH-Urteil vom 17.10.2013, C – 181/12, „Welte“

Nachfolgend sei auf ein Urteil des EuGH vom 17.10.2013 hingewiesen, welches hinsichtlich der Nutzung von Freibeträgen bei der deutschen Erbschaftsteuer (siehe oben) für Erben mit Wohnsitz in der Schweiz von grossem Interesse ist.
Nach deutschem Gesetzeswortlaut gelten die Freibeträge des § 16 ErbStG nicht für beschränkt steuerpflichtige Erwerbe, das sind solche, bei denen weder der Erblasser oder Schenker noch der Erwerber in Deutschland wohnen (und nicht innerhalb der letzten fünf Jahre dort gewohnt haben) und es sich bei dem Erwerb um inländisches Vermögen handelt (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG). Der Europäische Gerichtshof hat jedoch für die Schenkungsteuer (EuGH-Urteil vom 22.4.2010, C-510/08, „Mattner“) festgestellt, dass die Anknüpfung an die Ansässigkeit in Deutschland eine unzulässige Beschränkung der Freiheit des Kapitalverkehrs darstellt und gegen das Gemeinschaftsrecht verstösst.
Der EuGH hat nun mit Urteil vom 17.10.2013 in der Rechtssache „Yvon Welte“ auch für die Erbschaftsteuer entschieden, dass die Anwendung des niedrigen einheitlichen erbschaftsteuerlichen Freibetrages des § 16 Abs. 2 ErbStG i.H.v. EUR 2.000, der nicht nach den vom Verwandtschaftsgrad abhängigen Steuerklassen unterscheidet, für beschränkt Steuerpflichtige mit Wohnsitz ausserhalb der Europäischen Union /des Europäischen Wirtschaftsraums unionsrechtswidrig ist. Denn in der Anwendung dieser Freibetragsregelung sei ein Verstoss gegen die europarechtlich garantierte Kapitalverkehrsfreiheit zu sehen.
Die Entscheidung des EuGH liegt auf seiner bisherigen Linie der Judikatur zur Benachteiligung beschränkt Steuerpflichtiger bei den persönlichen Freibeträgen. Bereits in der Entscheidung „Mattner“ (EuGH v. 22.4.2010 C-510/08) verbietet der EuGH die Schlechterstellung der beschränkt Steuerpflichtigen nach § 16 Abs. 2 ErbStG durch einem vom Verwandtschaftsgrad unabhängigen geringen Freibetrag von EUR 2.000 bei in der EU/im EWR ansässigen Erben. Der Gesetzgeber hat zwischenzeitlich auf dieses Urteil reagiert, indem er rückwirkend für noch nicht bestandskräftige Fälle – in § 2 Abs. 3 ErbStG für im EU-/EWR-Raum ansässige beschränkt Steuerpflichtige eine antragsabhängige Option zur unbeschränkten Steuerpflicht eingeführt hat.
Im Streitfall der Rechtssache Welte hatte ein Schweizer Staatsangehöriger von seiner ebenfalls in der Schweiz ansässigen Ehefrau ein in Deutschland gelegenes Einfamilienhaus in Düsseldorf sowie Guthaben auf in Deutschland und in der Schweiz befindlichen Bankkonten geerbt. Das für das Besteuerungsverfahren zuständige deutsche Finanzamt zog von der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage, die allein anhand des Werts des in Düsseldorf belegenen Grundstücks abzüglich der Pauschale für Erbfallkosten gebildet wurde, den Freibetrag von EUR 2.000,– gem. § 16 Abs. 2 ErbStG ab. Wäre hingegen die Erblasserin oder der Erbe oder beide zum Todeszeitpunkt in Deutschland ansässig gewesen, hätte vom steuerpflichtigen Erwerb der Ehegattenfreibetrag des § 16 Abs. 1 Nr.1 ErbStG i.H.v. EUR 500.000 abgezogen werden müssen.
Es bleibt abzuwarten, ob der deutsche Gesetzgeber auch auf die Entscheidung „Yvonne Welte“ mit einer gesetzlichen Neuregelung im Verhältnis zu Drittstaaten reagiert, wie z.B. einer solchen zur Option zur unbeschränkten Steuerpflicht mit dem Weltvermögen bei Erb- und Schenkungsfällen unter innerhalb der EU/des EWR Ansässigen.
Bis dahin können sich betroffene Steuerpflichtige in gleichgelagerten Fällen auf die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache „Welte“ berufen. Unter Berufung auf dieses Urteil könnte somit auch gezielt in Deutschland befindliches Vermögen noch zu Lebzeiten übertragen werden. Allerdings ist immer auch das Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht des Ansässigkeitsstaates zu berücksichtigen. Dieser rechnet häufig die deutsche Erbschaftsteuer auf die nationale Steuer an.
Diese Informationen können daher eine umfassende rechtliche und steuerrechtliche Beratung nicht ersetzen. Für weitere Informationen im Rahmen eines Beratungsgesprächs steht Ihnen Rechtsanwalt Rolf Lüpke gerne zur Verfügung.
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